Patent des Monats Februar
Superfest-Glas
Die fünfte Jahreszeit steht vor der Tür, doch dieses Jahr werden die Karnevalisten das bunte Treiben schmerzlich vermissen. Was allerdings niemand vermissen wird, sind die vielen Glasscherben, die sonst durch das ausgelassene Feiern auf den Straßen liegen. Dabei hätte man diesem Ärgernis schon lange mit einer von DDR-Wissenschaftlern entwickelten Methode zur Herstellung eines unzerbrechlichen Gebrauchsglases ein Ende setzen können. Die geniale Entwicklung setzte sich leider auf dem freien Markt nicht durch, da sie ihre Nachfrage selbst eliminierte.
Heute jedoch könnte die ressourcenschonende Idee im Rahmen des Klimaschutzes wieder interessant werden. Daher feiern wir die nachhaltige Erfindung, die 1977 unter dem Titel „Verfahren und Vorrichtungen zur Verfestigung von Glaserzeugnissen durch Ionenaustausch“ zum Patent Nr.
DD157966A3
angemeldet und unter dem Handelsnamen „Superfest Glas“ bekannt wurde, als Patent des Karnevals-Monats Februar!
Verfahren zur „Glashärtung“ (Verfestigung), mit denen sich festeres und weniger bruchanfälliges Industrieglas herstellen lässt, wurden bereits in den 1950er Jahren entwickelt. Dabei setzte man auf drei unterschiedliche Methoden: thermische Verfestigung durch Abschrecken des Glases von Temperaturen am Erweichungspunkt bei 600°C, mechanische Verfestigung durch Überziehen des Grundglases mit einer weiteren Glasschicht sowie chemische Verfestigung der Glasoberfläche durch Ionenaustausch im Kontakt mit Salzschmelzen. Diese sehr material- und energieaufwändigen Verfahren wurden jedoch nur in der großtechnischen Produktion von dickwandigem Flachglas eingesetzt.
Die Übertragung des Prinzips „chemische Verfestigung“ auf die Produktion von dünnwandigen Hohlgläsern, wie Schalen oder Trinkgläser, gelang erstmals in den 1970 er Jahren einem Team um den Wissenschaftler Dieter Patzig am Zentralinstitut für Anorganische Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Vor dem Hintergrund der Rohstoffknappheit in der DDR sollten die knappen Ressourcen durch die angestrebte fünffache Lebensdauer der Gläser geschont werden.
In dem beschriebenen Verfahren für den Ionenaustausch werden die Gläser auf 400 °C erhitzt und anschließend für eine bestimmte Haltezeit mit flüssigem Kaliumnitrat beregnet. Durch den Temperatur- und Zeiteffekt werden in der Glasoberfläche die kleineren Natrium-Ionen durch größere Kalium-Ionen ausgetauscht. Aufgrund ihrer Größe setzen diese die Glasoberfläche unter Druckspannung und führen so zu einer höheren Bruchsicherheit. Das Resultat übertraf die Erwartungen bei weitem: die verfestigten Gläser wiesen sogar eine 15fach erhöhte Lebensdauer auf, waren hitzebeständig, stapelbar und sogar leichter als herkömmliche Trinkgläser!
Mit dem Verfahrenspatent definierten die DDR-Glasforscher den Stand der Technik für die Massenfertigung von verfestigtem Hohlglas. Unter dem Markennamen CEVERIT (zusammengesetzt aus CE für chemisch, VER für verfestigt und IT, der üblichen Endung für mineralische Stoffe) startete die 1980 Produktion im VEB Sachsenglas Schwepnitz mit der Herstellung von Biergläsern. Bald wurde das Sortiment auf Saft- und Schnapsgläser erweitert, der Name in „Superfest“ umgeändert. Insgesamt wurden bis 1990 mehr als 110 Millionen Gläser hergestellt. Die Produkte erhielten 1980 und 1983 auf der „Leipziger Frühjahrsmesse“ Auszeichnungen für ihr Design.
Leider hatte die Erfindung im kapitalistischen System keine Chance, da der Glasmarkt kein Interesse an unzerbrechlichen Gläsern hatte, sodass ein gesamtdeutscher Erfolg ausblieb.
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Quellen:
https://worldwide.espacenet.com/patent/search/family/005509374/publication/DD157966A3?q=DD157966A3
https://www.wikizero.com/de/Superfest
"Superfest"-Trinkgläser aus der DDR: Warum das Glas unkaputtbar ist (t-online.de)
Dietrich Mauerhoff: „Superfest“ – eine Geschichte über chemisch verfestigtes Wirtschaftsglas . In: VDG-Nachrichten 4/2013, S. 37–40
https://de.wikipedia.org/wiki/Akademie_der_Wissenschaften_der_DDR
Bildquelle: Superfest (superfest-leipzig.de)