Patent des Monats September

01.09.2022
  Riesenrad

Das Riesenrad – Amerikas Antwort auf den Eiffelturm

Wenn vom Katschhof in Aachen weithin sichtbar ein Riesenrad aufragt, wissen die Menschen in der Stadt, es ist wieder Zeit für das September Special! Überall gibt es dann viele Attraktionen: Musik, Unterhaltung, Budenzauber etc. in der Stadt. Beliebtes Wahrzeichen dieses Events ist das Riesenrad, das einen Blick auf die Stadt aus luftiger Höhe erlaubt. Aber wer hat das eigentlich erfunden? Die Idee dazu stammt aus den USA. Dort wurde auch im Januar 1893 das erste Patent auf ein Riesenrad angemeldet. Die Patentschrift US489238A mit dem schlichten Titel „Roundabout“, eingereicht von William Somers aus New Jersey, ist deshalb unser Patent des Monats September!

Heute kennt kaum noch jemand den Namen Somers oder seine Erfindung, die aus einem hölzernen vertikalen Karussell bestand, das unspektakuläre 50 Fuß hoch war - selbst der Erfinder fand es langweilig. Die von ihm als „Observational Roundabout“ bezeichnete Konstruktion wurde erstmals 1891 in Atlantic City aufgebaut und war sehr beliebt. In der zweiten Saison fing das hölzerne Bauwerk Feuer und brannte nieder. Neben der Feuergefahr hatte das Roundabout noch einen weiteren Nachteil: es war sehr laut! Die kohlebefeuerte Dampfmaschine stieß so viel Lärm und Abgase aus, dass sich die Nachbarn beim Stadtrat beschwerten.

Ungeachtet der erfolgreichen Patentierung ging ein anderer als Erfinder des Riesenrads in die Weltgeschichte ein: George Washington Gale Ferris aus Chicago! Er entwarf eine weit spektakulärere Konstruktion, nach der die großen Jahrmarktattraktionen im englischsprachigen Raum bis heute benannt werden. Aufstieg und Fall des jungen Eisenbahningenieurs mit seiner bahnbrechenden Erfindung zur Zeit des großen Börsencrashs von 1893 ist eine Geschichte, die einer Hollywood-Verfilmung würdig wäre!
Für die Weltausstellung 1893 in Chicago wollten die Organisatoren unbedingt mit einem Prestigeobjekt den Eiffelturm, der vier Jahre zuvor in Paris errichtet wurde, in den Schatten stellen. Unter dem Motto „Macht keine kleinen Pläne“ riefen sie nach aufsehenerregenden Ideen auf. Und Ferris, dem die technischen Details von Somers durchaus bekannt waren, lieferte. Anfangs erntete er mit den Plänen für ein stählernes, mit Dampfkraft betriebenes Rad nur Kopfschütteln. Doch „der Mann mit den Rädern im Kopf“, wie er spöttisch genannt wurde, setzte sich mit viel Beharrlichkeit und Eigeninvestitionen durch und seine Erfindung wurde zu einer echten Sensation: mit 45 Tonnen Achsengewicht baute er das bis dahin größte Riesenrad der Welt! Die Speichen des stählernen Ungetüms waren 76 Meter lang. Sie trugen 36 Gondeln, die bis zu 2000 Passagiere gleichzeitig transportieren konnten. Das Riesenrad wurde ein Riesenerfolg und das Ziel, den Eiffelturm zu übertrumpfen, war geglückt.

Für Ferris ging es von da an bergab. Zunächst wurde er von Somers auf Patentverletzung verklagt. Den Rechtstreit gewann er zwar, meldete aber nie ein eigenes Patent an. Es mag der erste Fauxpas in einer Reihe von Fehlentscheidungen gewesen sein, denn im Gegensatz zu seinem Konkurrenten war er mit dem Ferris Wheel nie kommerziell erfolgreich. Streitigkeiten und Prozesse mit den Ausstellern trieben ihn in den finanziellen Ruin, so dass er schließlich Konkurs anmelden musste. Er starb am 26. November 1897 in Pittsburgh, einsam und verarmt mit gerade mal 37 Jahren. Auch sein Original-Riesenrad nahm ein trauriges Ende. 1904 wurde es noch einmal auf der Louisiana Purchase Exposition aufgebaut und begeisterte dort wieder die Menschen. Nach der Ausstellung ging die Abbaufirma pleite und ließ das Rad zum Ärger der Anwohner einfach stehen. Nach zwei Jahren wurde der „Schandfleck“ mit 200 Tonnen Dynamit weg gesprengt.

Patentiert wurde die Erfindung allerdings doch noch und zwar von James Graydon, einem mehrfachen Erfinder und Patentanmelder. Bereits im September 1893 meldete er ein fast baugleiches Riesenrad in Großbritannien zum Patent an (GB189318007A). Die fehlende Neuheit ist den damaligen Prüfern anscheinend nicht aufgefallen. Graydon verkaufte die Rechte an den Walter Basset, einem vermögenden britischen Marineoffizier im Ruhestand, der im Mai 1895 das erste Riesenrad in Europa auf dem Londoner Messegelände Earls Court errichtete. Von dort trat die Jahrmarktattraktion ihren weltweiten Triumphzug an und ist heute aus den Stadtbildern berühmter Metropolen nicht mehr wegzudenken.

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Quellen

History of the ferris wheel and William Somers

Die Erfindung des Riesenrads

George Washington Gale Ferris

Ferris wheel history

We call it the ferris wheel but is it

William Somers invention and lawsuit

US489238A

GB189318007A

Weiterführende Literatur

Ferris Wheels: An Illustrated History, Norman D. Anderson, 1992, Bowling Green University Popular Press