Patent des Monats Februar

01.02.2022
  Abbildung Patentschrift

Medikamentenabgabe durch Ausatmen

Im Februar hat man buchstäblich vom Winter die Nase voll! Ein Blick in den Pollenflugkalender markiert den verschärften Beginn der „Flugsaison“ von Haselpollen. Zusätzlich sorgt die Ausbreitungsdynamik der Influenzaviren dafür, dass gleichzeitig die Grippewelle in Deutschland ihren Gipfel erreicht. Daher richten wir unseren Blick auf eine Erfindung, die aus der Suche nach besseren Heilungsmöglichkeiten verstopfter Nasennebenhöhlen entstand und zu einer genialen Methode zur verbesserten Medikamentenverabreichung führte: das spezielle „Ausatmungstransportsystem“ des Norwegers Per Gisle Djupesland. Der Mediziner entwickelte ein Zusatzgerät für herkömmliche Sprühsysteme. Damit können die Sprühnebel ihren Wirkungsort in der Nase optimal erreichen. 2021 wurde er dafür mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichnet. Bereits 2000 wurde die Erfindung unter dem Titel „nasal delivery device“ zum europäischen Patent EP2340865A1 angemeldet - unser Patent des Monats Februar!

Der Wirkungsgrad herkömmlicher Nasenspray-Pumpen ist hinsichtlich der Arzneiverteilung im komplexen System Nase / Nebenhöhlen suboptimal. Atmen Patienten während des Sprühens durch die Nase ein, öffnet sich ihr Gaumensegel. Dadurch wird die Abgrenzung zwischen Luft- und Speiseweg aufgehoben und die Medikamente gelangen in den Rachen, wo sie verschluckt werden oder tiefer in die Lunge gelangen. Problematisch ist neben der ineffizienten Medikation auch ein erhöhtes Gesundheitsrisiko im Falle von Medikamenten mit erhöhten (Neben)-Wirkungen.

Für die optimale Wirkung von Nasenspray-Pumpen ist es daher notwendig, das Gaumensegel zu schließen. Per Gisle Djupesland beobachtet im Flugzeug, dass dies der Fall ist, wenn das Ausatmen gegen einen Widerstand erfolgt. Der Wissenschaftler suchte daraufhin nach Methoden, den natürlichen Atemmechanismus für einen effizienteren nasalen Medikamententransport zu nutzen und wurde fündig. Dabei waren sowohl seine zweite Promotion zur Aerodynamik der Nase als auch seine 20jährige Erfahrung als HNO-Arzt am Universitätsklinikum Oslo hilfreich. Er ergänzte herkömmliche Sprühpumpen um ein bewegliches Mundstück sowie ein speziell geformtes, verschließendes Nasenstück. Das so entstandene System funktioniert durch einen zweistufigen Wirkmechanismus. Die gegen das Mundstück ausgeatmete Luft bewirkt, dass sich das Gaumensegel schließt. Gleichzeitig wird diese Luft während des Pumpens wieder durch die Nase zurückgeleitet und transportiert damit das jeweilige Präparat tief in die Nase und die Nebenhöhlen, ohne in den Rachen zu gelangen. Die Medikamentenverabreichung erfolgt also durch Ausatmen und wird dementsprechend als "exhalation delivery system" (EDS) bezeichnet.

Die innovative Behandlungsmethode hat großes Potential, denn ihr Einsatz beschränkt sich nicht nur auf die Behandlung geschwollener Nasenluftwege, sondern kann auch auf andere Indikationen ausgeweitet werden. Der Vorteil der nasalen Medikation ist nämlich, dass die große Oberfläche der Nasenschleimhaut für eine schnelle Aufnahme der Medikamente sorgt. Schon heute verschafft die Technologie Millionen von Migränepatienten Linderung und soll zukünftig für die Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer zum Einsatz kommen. Derzeit wird daran geforscht, ob eine örtliche Medikamentengabe direkt ans Gehirn Fortschritte bei der neurodegenerativen Erkrankung bringen könnte.

Zusammen mit seiner Frau Helga, die das wirtschaftliche Knowhow mitbringt, gründete Djupesland das Unternehmen OptiNose AS, mit dem er seine Innovation vermarktet, u.a. durch aktive Lizensierung der patentierten Technologie. Damit wird auch Kooperationspartnern ermöglicht, Behandlungen für weitere medizinische Anwendungsfelder zu entwickeln. In einem brandaktuellen Projekt erweitert die Firma ihre F&E-Aktivitäten auf die nasale Therapie von Covid-19-Symptomen sowie auf die Verabreichung von Impfstoffen über die Nase.

Djupesland, der heute in dem Unternehmen als wissenschaftlicher Direktor tätig ist, setzt dabei weiter auf die Kombination aus Forschung und praktischer Erfahrung und arbeitet noch immer in Teilzeit als HNO-Facharzt.

Das Patent- und Normenzentrum wünscht gute Gesundheit und sprühende Ideen!

„Von der Idee zum Produkt“ – Wir bieten praxisnahe Dienstleistungen für Forscher*innen, Unternehmer*innen, Handwerker*innen, Gründer*innen sowie freie Erfinder*innen zum Schutz Ihrer Ideen. Alle unsere Dienste stellen wir Ihnen auch virtuell zur Verfügung!

Quellen:

Hintergrund zum Gewinner des Europäischen Erfinderpreises

Film zum Europäischen Erfinderpreis

Informationen zum Unternehmen Optinose

Ausbreitung von Grippe-Viren