Patent des Monats Dezember
Nachhaltige Reifen aus Löwenzahn
Am Ende des Jahres richten wir den Blick auf ein vielversprechendes Verfahren zur Kautschukgewinnung aus Löwenzahn zum Schutz des verbleibenden Regenwalds. Dies ist ein wichtiger Pfeiler zum Erreichen der Klimaziele und zum Erhalt lebenswichtiger Artenvielfalt. Ein entsprechendes Projekt wurde dieses Jahr für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. In Zusammenarbeit mit der Continental AG arbeiten Forscher vom Fraunhofer IME an der Gewinnung des Kautschukrohmaterials aus der unscheinbaren Pflanze. Ergebnisse dazu wurden 2019 unter dem Titel „Verfahren zur Trennung von Polyisopren und anderen apolaren Werkstoffen aus pflanzlichen Rohstoffen“ beim Deutschen Patent- und Markenamt zum Patent angemeldet. Die zugehörige Offenlegungsschrift DE102019133785A1 beschreibt wichtige verfahrenstechnische Parameter und ist unser Patent des Monats Dezember!
Die Innovation ist als echtes Querschnittsthema sowohl der Biochemie, als auch der Technik und der Landwirtschaft zuzuordnen. Genauso vielfältig ist auch das Forschungsteam der Preisträger zusammengesetzt. Sprecherin ist die Chemikerin Dr. Carla Recker, die seit über 15 Jahren bei der Continental AG das Expertenfeld Materialchemie leitet. Ihre Idee war es, Löwenzahn oder Taraxagum, so der wissenschaftliche Name, zur Gummiproduktion zu verwenden. Projektpartner und Patentinhaber sind Prof. Dirk Prüfer vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, außerdem Leiter der Außenstelle „Pflanzliche Biopolymere“ des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, sowie Dr. Christian Schulze Gronover, der eine Arbeitsgruppe im Bereich Bioökonomie und Nachwachsende Rohstoffe ebenfalls am Fraunhofer IME leitet.
Seit 2010 kultivieren der Molekularbiologe Prüfer und sein Team Russischen Löwenzahn in einem Gewächshaus der Uni Münster und haben die Pflanzen bei optimalen Anbaubedingungen züchterisch zu stabilen Hochertragslinien optimiert. Die 30 Zentimeter langen, ca. 200 Gramm schweren, weißen Wurzeln sind dabei die interessanten Pflanzenbestandteile, aus ihnen wird der Naturkautschuk extrahiert. Während beim einheimischen Löwenzahn die Wurzeln nur ungefähr ein Prozent Naturkautschuk enthalten, kommt die russische Variante auf ungefähr drei bis fünf Prozent. Die optimierten Züchtungen kommen sogar auf den wirtschaftlich lukrativen Gehalt von 15 bis 20 Prozent.
In dem in der Patentschrift beschriebenen Verfahren wird der in der Löwenzahnwurzel-Biomasse enthaltende Naturkautschuk durch mechanische Zerkleinerung (Mahlen) herausgelöst. Dabei agglomerien die Kautschukteilchen in der flüssigen Lösung. Die Optimierug des Mahlprozesses ist zentraler Bestandteil der Patentschrift. Durch Zusatz von Adsorbermaterial (z.B. Öle, Aktivkohle) wird die Ausbeute entschieden verbessert. Für verschiedene Mahlaggregate schlagen die Erfinder desweiteren optimierte verfahrenstechnische Parameter für den Adsorberzusatz vor. Die Restbiomasse dient als Futtermittelzusatz, Biogas-Substrat oder Düngemittel, so dass alle Pflanzenbestandteile nachhaltig verwertet werden.
2014 wurden in Aachen die ersten Prototypen eines PKW-Reifens hergestellt, 2016 folgte der erste LKW-Reifen mit Laufflächen aus Löwenzahnkautschuk. Umfangreiche Fahr- und Prüfstandversuche bescheinigten dem innovativen Material beste Einsatzstauglichkeit, so dass er den tropischen Naturkautschuk eins zu eins ersetzen kann. Da er in Europa und Nordamerika fabriknah angebaut werden kann, ist er viel effizienter in der Logistik und somit kostengünstiger in der Herstellung. 2018 startete in Mecklenburg-Vorpommern ein Projekt zur Erforschung des Anbau im Großmassstab und 2019 startete Continental die erste Serienproduktion für Fahrradreifen. Perspektivisch soll mit den kleinen Pflanzen der industrielle Naturkautschuk-Jahresbedarf in Deutschland gedeckt werden.
Das Patent- und Normenzentrum wünscht Ihren Ideen blühenden Erfolg!
„Von der Idee zum Produkt“ – Wir bieten praxisnahe Dienstleistungen für Forscher*innen, Unternehmer*innen, Handwerker*innen, Gründer*innen sowie freie Erfinder*innen zum Schutz Ihrer Ideen. Alle unsere Dienste stellen wir Ihnen auch virtuell zur Verfügung!
Quellen:
https://www.swr.de/wissen/deutscher-zukunftspreis-kautschuk-aus-loewenzahn-100.html
https://www.deutscher-zukunftspreis.de/de/team-2-2021
https://biowerkstoffe.fnr.de/loewenzahn
https://www.adac.de/news/neuzulassungen-kba/
Bildquelle: www.pixabay.com