Patent des Monats November

 

Patent des Monats November

Saccharin – der erste Zuckerersatzstoff

Mit dem Patent des Monats November würdigen wir die Entdeckung des ersten künstlichen Süßstoffs Saccharin, dessen optimiertes Herstellungsverfahren 1885 in Deutschland DE 35211 und den USA US 326281A zum Patent angemeldet wurde. In den Patentschriften wurde bereits der Name Saccharin für die neue Substanz verwendet, der sich vom lateinischen Wort saccharum für Zucker ableitet.

Die Entdeckung des Süßstoffes war - wie so oft - ein Zufallsfund. Sie geht zurück auf den deutsch-russischen Chemiker Constantin Fahlberg (1850-1910), der 1876 in der Arbeitsgruppe von Professor Ira Remsen an der Johns Hopkins University (USA) mit einer Versuchsreihe an Steinkohleteer beschäftigt war. Nach einem missglückten Versuchsansatz entdeckte Fahlberg, dass sich das aus Erdöl und Steinkohleteer gewonnene Toluol durch Oxidation in Benzoesäuresulfimid umgewandelt hatte und nun einen süßen Geschmack aufwies. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse veröffentlichte er gemeinsam mit Remsen bereits 1879[1].

Die wirtschaftliche Verwertung dieses neuen Stoffes unternahm Fahlberg zusammen mit seinem Onkel Adolph List, einem erfolgreichen Leipziger Kaufmann, sowie dessen Sohn Adolph Moritz (übrigens ohne Wissen und Zustimmung von Remsen, dessen Miturheberschaft er auch im Weiteren unterschlug). 1886 ließ sich Fahlberg den Namen Saccharin im Handelsregister schützen. 1887 gründete er zusammen mit seinem Cousin die Firma Fahlberg, List & Co und baute in Salbke an der Elbe (heute ein Stadtteil von Magdeburg) die erste Produktionsstätte für Saccharin auf.

Die Vermarktung von Saccharin war anfänglich auch durch die Monopolstellung ein voller Erfolg. Dies lockte die Konkurrenz, die durch alternative Synthesewege billigere Produkte auf den Markt brachte und einen unerbittlichen Preiskampf entfachte. Durch den Schutz des Handelsnamens erreicht Fahlberg zumindest, dass die Konkurrenzprodukte unter anderem Namen vertrieben wurden.

Den nächsten Schlag erhielt der Saccharinhandel durch die mächtige Zuckerindustrie. Unter ihrem Einfluss wurden ab dem Jahre 1898 die sogenannten Süßstoffgesetze erlassen, die den Handel mit Saccharin weitreichend einschränkten und erst im ersten Weltkrieg teilweise wieder aufgehoben wurden. Auch danach blieb die Saccharinproduktion ein Politikum, der je nach Interessenlage mal mehr, mal weniger Steine in den Weg gelegt wurden.

Bis heute haben alternative Süßmittel trotz der mittlerweile allgemein bekannten gesundheitlichen Auswirkungen von Zucker einen schweren Stand. Dabei sind mittlerweile eine Reihe von süßen Substanzen auf dem Markt. Neben der Klasse der Süßstoffe, das sind süß schmeckende Verbindungen ohne Kalorien, zu denen außer Saccharin auch Aspartam und Cyclamat zählen, etablieren sich Zuckeraustauschstoffe. Darunter werden kohlenhydrathaltige Verbindungen zusammengefasst, die weniger Kalorien haben oder nicht über Insulin verstoffwechselt werden, z.B. Xylit und Erythrit. Seit einiger Zeit hat sich Stevia, ein aus der südamerikanischen Steviapflanze gewonnenes Süßmittel etabliert.

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[1] Remsen, I. and Fahlberg, C., (1879). "Über die Oxydation des Orthotoluolsulfamids". Chemische Berichte 12: 469-473.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:S%C3%BC%C3%9Fstoff_Saccharin_Zucker-Museum.jpg

Weiterführende Literatur: Die Saccharin-Saga Klaus Roth, Erich Lück, Chem. unserer Zeit 2011, 45, 406–423. DOI: 10.1002/ciuz.201100574 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ciuz.201100574/pdf

Kalorienfreie Süße aus Labor und Natur, Klaus Roth, Erich Lück, Chem. unserer Zeit 2012, 46, 168–192. DOI: 10.1002/ciuz.201200587

Internet-Link: Planet Wissen: Süßstoffe